arbeitsermittlungsagenturen, 2018

Zeit ist die Währung der Stunde.

Es gibt Arbeit.
Es gibt Lohnarbeit.
Es gibt Lohn,
der nichts wert, weil Zeit die neue Währung ist.

Wer noch lohnarbeiten geht, wird geächtet.
Sie brauchen Zeit.

Es gibt Lohnarbeitsentzug.
Es gibt Lohnarbeitsentwöhnung.
Es gibt Lohnarbeits-Entzugs- und Entwöhnungs-Agenturen, kurz LEE,
deren einziger Zweck es ist, die Menschen zu ent-lohnen.

„Solange Sie noch lohnarbeiten, werden wir Sie regelmäßig vorladen und Sie bitten zu Ihrem Verhältnis zur Lohnarbeit Stellung zu nehmen.“, heißt es in ihren Anschreiben.

Wer lohnabhängig ist, wird sofort von ihnen aufgespürt. Lohnarbeitende Menschen könne man schon anhand ihrer Routine, von denen, die lohnfrei arbeiten unterscheiden.

Wer dem Anschein nach freiwillig und/ oder unter schlechten Bedingungen lohnarbeitet, wird solange ausgefragt, bis alle Details zur Überführung des betreffenden Unternehmens bekannt werden.

„Wir fordern Sie hiermit auf, Ihre Lohnarbeit zu kündigen und uns über den Verlauf  ihrer Kündigungsbemühungen umgehend zu informieren.“,  führen die LEE-Agenturen den Lohn- und Lohnarbeitsabhängigen gegenüber ihren Auftrag aus.

Wer lohn- und lohnarbeitsabhängig ist oder erscheint, weil er den Kündigungsverpflichtungen aus der Ausgliederungsvereinbarung nicht nachkommt, wird zunächst eingehend befragt und ggf. sanktioniert.

Die vierteljährlich stattfindende Befragung besteht aus einem DINA4-500 Seiten-Paket an Vordrucken und beginnt mit folgenden Fragestellungen

  • 1 detaillierte Schilderung der Rahmenbedingungen der Lohnarbeit (beglaubigte Kopie des Vertragswerk samt Tarif- und Manteltarifvertrag sowie Bestätigung der Gesetzmäßigkeit derselben, Beginn der Aufnahme der Tätigkeit, Nachweis über die Bereitstellung der vereinbarten notwendigen Arbeitsräume und Arbeitsmittel, Gegenüberstellung des Ausmaßes und der Lage der vereinbarten und der tatsächlichen Lohnarbeitszeiten sowie der Lohnarbeitsplatzbeschreibung und der tatsächlich ausgeführten Aufgaben, Überstunden-Freiheits- und/oder Verweigerungs-Nachweis, Nachweis über außerhalb des Dienstortes verbrachte Zeit und Tätigkeiten sowie deren Steigerung, vereinbarte und tatsächliche Entlohnung und Ent-Lohnung sowie Nachweis über Entgeltfortzahlung im Urlaubs- und Krankheitsfall anhand der Kopie der Lohnabrechnungen, Auszug der zutreffenden Paragraphen des Lohnarbeiter*innen-im Übergang-Schutzgesetzes sowie Nachweis über Erfüllung der dort genannten Anforderungen, Anzahl der Teamkolleg*innen sowie Aufschlüsselung deren jeweiliger Entlohnung, Stressbezogene Arbeitsanalyse, etc. )
  • 2 Was tun Sie konkret um dem Ziel Ihrer Kündigung näherzukommen?
  • 3 Was hindert Sie daran zu kündigen?
  • 4 Wie können wir Ihre Kündigungsfähigkeit unterstützen?

Langzeitbeschäftigte werden vom LEE sowie vom Ent-Lohnungs- und Verwöhnungsinstitut als besondere Risikogruppe betrachtet. Sie gelten als arbeitsanfällig, lohnarbeitswütig bis -süchtig, kündigungsunfähig und entspannungsresistent und erhalten daher öfter als andere Lohnabhängige Post.

Wer die Befragung nicht ausführlich und pünktlich bearbeitet und übermittelt, wird umgehend sanktioniert. Die Sanktionierung besteht zunächst in Besuchen und mündlicher Befragung der Kündigungsunwilligen in ihren Unternehmen. Für sie ist die Teilnahme an Kündigungs- und Alternativbeschäftigungstrainings während der Lohnarbeitszeit verpflichtend. In Kündigungstrainings lernen die Kündigungsunfähigen ihre eigenen Rechte kennen, sowie Stärken und Bedürfnisse herauszuarbeiten und vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Gesamtsituation zu argumentieren, warum sie auf keinen Fall weiter in dem betreffenden Unternehmen lohnarbeiten können. Innerhalb der Fortbildungen werden die Lohn- und Lohnarbeitsabhängigen zudem eingehend über die Währung der Stunde aufgeklärt. Auch die Maßnahme der tage-, wochen- oder monateweisen Zwangsbeurlaubung bei begleitender psychologischer Beratung wird oft angewandt.

Wer nachweisen kann, dass es schwer für ihn*sie ist, die Lohnarbeit aus psychologischen o.ä. Gründen aufzugeben, kann an sog. Aussteiger*innenprogrammen teilnehmen. Für ein halbes Jahr werden diese Menschen ideell unterstützt, bis ihnen die Ablösung leichter fällt.

Die Medien verkünden im monatlichen Takt die Statistik der Lohn(un)abhängigkeit. „Die Lohnabhängigenquote lag im September bei X % und damit so tief wie schon lange nicht mehr./ Die Lohnunabhängigenquote lag im September bei X % und damit so hoch wie noch nie.“

Die einzig gültige Währung heißt Zeit. Nicht einmal zur Begleichung von Schulden aus der Vergangenheit lässt sich Geld noch verwenden. Zeit ist die Währung der Stunde. Nur die Lohnabhängigen tapezieren noch ihre Wohn- und Schlafzimmer mit ihrem Ersparten in der Hoffnung es bei Gelegenheit wieder ablösen zu können.

Es gibt Arbeit, die viel wert, weil sie menschlich_nützlich ist.
Es gibt viel Arbeit.
Es gibt noch Lohnarbeit.